Volkstrauertag 2024 in Altdorf

 

Am 16. und 17. November wurde am Volkstrauertag der Opfer von Gewalt gedacht. Dazu fanden in Pfettrach, Eugenbach und Altdorf Gedenkfeierlichkeiten statt.

 

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Nachfolgend finden Sie die Rede unseres 1. Bürgermeisters Sebastian Stanglmaier zum Volkstrauertag in Altdorf:

 

Lieber Diakon Michael Weigl,

liebe Mitglieder der Krieger- und Soldatenkameradschaft Altdorf mit dem Vorsitzenden Erhard Klar,

liebe Altdorferinnen und Altdorfer,

 

ich darf Sie alle im Namen des Marktes zum diesjährigen Volkstrauertag begrüßen und Ihnen allen danken, dass Sie Teil dieses Gedenktages sind, der seit über 100 Jahren in Deutschland begangen wird.

 

„Krieg ist ein Ort, an dem junge Menschen einander töten, auch wenn sie sich nicht kennen und nicht hassen.

Sie tun das aufgrund von Entscheidungen alter Menschen, die sich kennen und hassen, aber sich gegenseitig nicht töten."

 

Diese beiden Sätze fassen die ganze Perversion des Krieges zusammen. Blickt man in die Geschichte der Menschheit zurück, gab es zu jeder Zeit über all die Jahrhunderte hinweg Konflikte, die der Mensch versuchte mit Krieg zu lösen. Konfliktursachen gab es von jeher genug: ob es im Mittelalter um Glaubensdiktatur ging, um territoriale Eroberungen um seine Landfläche zu erweitern oder sich die Bevölkerung gegen einen Herrscher in einem Bürgerkrieg auflehnte. Bis in unsere Tage werden Angriffskriege weltweit geführt, angezettelt von Menschen, „die sich kennen und hassen, aber sich gegenseitig nicht töten.“ Es scheint, als habe die Menschheit nichts dazulernt.

Ich durfte den im Jahr 2021 verstorbenen Prof. Dr. Georg Spitzlberger aus Landshut noch in Vorlesungen in Weihenstephan erleben – für mich ein Mensch auf den der Begriff Universalgelehrter zutrifft. Er fasste diese Tatsache nüchtern mit der Erkenntnis zusammen: „Die Menschheit war und ist ein verrückter und unbelehrbarer Haufen!“

 

Und doch können und müssen wir alle unseren Beitrag leisten gegen Krieg und für Frieden einzutreten. Der heutige Tag ist so eine Gelegenheit, denn Gedenken vereint und Gedenken ist unverzichtbar für eine friedliche Zukunft. Das Mahnen und Erinnern in seinen vielfältigen Formen ist wichtiger denn je, in Zeiten des Krieges in Europa und im Nahen Osten. Der Volkstrauertag ist eine konstante Form über viele Jahrzehnte hinweg – Danke an Sie alle, dass Sie ein Teil davon sind.

Damit sind wir an einem Punkt, der mich persönlich besonders umtreibt: Wie gelingt es uns, die Erinnerung wach zu halten, für Versöhnung einzustehen und dafür zu sorgen, dass sich Krieg nicht wiederholt? Schließlich hängt es von uns allen ab, wie sich unsere Gesellschaft entwickelt. Ob beispielsweise Parolen aus der Nazi-Diktatur wieder sagbar werden, wie dies gewählte Politiker in Deutschland in manchen Bundesländern heutzutage tun. Oder ob die Verschiebung von Grenzen in Europa durch Angriffskriege wieder möglich ist. Zuletzt hat dies das Deutsche Reich versucht, was zum größten Vernichtungskrieg aller Zeiten führte – Gott sei Dank erfolglos. Beunruhigt, oder zumindest gespannt, dürfen wir nach Amerika blicken, welchen Einfluss der neue Präsident in seiner zweiten Amtszeit geltend macht. Seine verbalen Entgleisungen stimmen mich persönlich wenig zuversichtlich.

 

Peter Tauber, ehemaliger Staatssekretär im Verteidigungsministerium, fragte in einem Artikel des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge: „Wer steht künftig an den Gräbern? Der Volkstrauertag muss sich neu erfinden, ohne sich zu vergessen.“ Die bisherige Triebfeder des Volkstrauertages war „Betroffenheit“. Trauerten in den Nachkriegsjahrzehnten noch Witwen, Waisen, Brüder und Schwestern um Ihre engsten Angehörigen an den Gräbern und Mahnmälern, verblasst diese Betroffenheit immer mehr im Lauf der Zeit. Die Betroffenheit meiner Generation beschränkt sich auf die Erzählungen unserer Großväter, die mit Tränen in den Augen von den schrecklichen Erlebnissen an der Kriegsfront berichteten. Aber auch diese Erinnerungen werden verblassen.

Seit Fall des Eisernen Vorhangs sind - glücklicherweise - auch die Zahl der Toten der Bundeswehr rückläufig: Ich bin 1988 geboren. Ende der 80er zählte die Bundeswehr allein in zwei Jahren mehr Tote, als in zwanzig Jahren Afghanistaneinsatz in den 2.000er Jahren. Das Erinnern an die Toten, an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir leben zwar in einer arbeitsteiligen Welt, aber wer glaubt, dass man die Erinnerungskultur „outsourcen“ kann, der hat eines nicht verstanden: Dass er damit auch die Chance verpasst, über Gräber hinweg Zusammenhalt zu stiften und ein Bewusstsein zu stärken, wie wertvoll Frieden ist.

 

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Totengedenken (des Bundespräsidenten)

Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.

Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren.

Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde.

Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.

Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren.

Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt Opfer geworden sind.

Wir gedenken der Opfer von Terrorismus und Extremismus, Antisemitismus und Rassismus in unserem Land.

Wir trauern mit allen, die Leidtragen um die Toten und teilen ihren Schmerz.

Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.

 

Im Gedenken an die Gefallenen, Vermissten, Geflüchteten und Vertriebenen lege ich im Namen des Marktes Altdorf diesen Kranz nieder.

 

Ein Vergelt´s Gott an die Krieger- und Soldatenkameradschaften in unserer Marktgemeinde für die alljährliche Zusammenarbeit anlässlich des Gedenktages und ihren wertvollen Dienst als „Mahner für den Frieden“.

 

 

 

 

Logo Ausstellung Nationalsozialismus


Ausstellungshinweis:

„Landshut im Nationalsozialismus – Opfer. Täter. Zuschauer.“

Noch bis 9. März 2025 ist im LANDSHUTmuseum die Ausstellung über die dunkle NS-Zeit zu sehen. Neben Fotos aus der Innenstadt werden Themen rund um Propaganda, Jugend, Verein, Widerstand, Kriegserfahrungen und Flucht behandelt. Die Schau ist interaktiv und multimedial. Geraubte Gegenstände von Euthanasie-Opfern, Zeitzeugeninterviews und Animationen zum KZ-Außenlager in Landshut spannen den Bogen vom Holocaust bis in die Gegenwart.

Öffnungszeiten: Di - So von 10 bis 17 h, Eintritt frei, Mehr Informationen unter www.landshut-im-nationalsozialismus.de